Hans Henny Jahnn – buchvermerkt

Dichter, Orgelbauer, Phantast, Revolutionär – alles dies Attribute die  dem unfassbaren Jahnn nur zeitweise und immer nur bedingt gerecht werden. Orgelbauer allerdings wollte er sein, musste er sein, bis zu seinem Ende in Armut, und vor allem in einem Zustande des Unverstandenseins. Als Orgelbauer wurde er bis heute am wenigsten anerkannt.

Nur eine einzige Schrift hat sich intensiv mit dem „Orgelbauer Hans Henny Jahnn“ auseinandergesetzt, und das ist eines der spannendsten Orgelbücher überhaupt, die ich gelesen habe, nach “ Markus Zepf -Praetorius“, „Robert Schneider – Schlafes Bruder“ nun also „Thomas Lipski – Hans Henny Jahnns Einfluß auf den Orgelbau“.

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an diesen verschiedenen Leseproben, die zwei ersten weißen Seiten zeigen das Inhaltsverzeichnis, soll gezeigt werden mit welcher Detailfreude und Zitierlust, der Musikwissenschaftler Lipski hier gearbeitet hat. Es werden  Hintergründe um „Reinoldi“ ebenso gezeigt, wie das gesamte Orgelschaffen HHJ und seine entsprechenden Gedanken dazu.  Endnote: absolut-ohnbedingt empfehlenswert.

Erst nach Lektüre dieses Buches leuchtet auf, warum uns in den nicht mehr vorhandenen Orgelwerken HHJahnn’s, Instrumente fehlen, die unwiederbringliche Zeitzeugen eines großartigen Künstlers waren, und die uns heute mit Sicherheit eine großartige Klangdimension offenbaren könnten, die wir so als rettungslos verloren sehen müssen.

Rüdiger Wagner – Hans Henny Jahnn – Der Revolutionär der Umkehr

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Wagner beschreibt HHJ aus seinen großen mythischen Romanen „Fluß ohne Ufer“ und „Perrudja“. Und er zeigt dessen Leben im Angesichte der Orgelbewegung, der Zeit-Umstände und dem Ende zu mit Zweifeln an der Harmonik. Hanns Henny Jahnn wird einem in diesem Buch am sympathischsten geschildert.

Das Entsetzen Jahnns vor bestimmten Methoden der Wissenschaften (siehe drittes Blatt – rot markiert- (…) was für tolle Barbaren sind wir!) erinnern mich sehr stark an Worte eines anderen Idealisten, die sonst kaum miteinander verglichen werden können, nämlich an Albert Schweitzer.

Die stark erotisch betonten Komponenten im Denken und Wirken Hans Henny Jahnns sparen beide genannten Autoren aus. Mit Sicherheit zu Recht, da in solche Dinge erfahrungsgemäß mehr hinein interpretiert wird, als tatsächlich darin enthalten war. Die nachfolgenden beiden Bücher touchieren das Thema leicht, und dann klingen manche Ideen des jungen Hans Henny Jahnn in heutiger Zeit überaus grotesk:

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 Fluß ohne Ufer – Schriftreihe der Hamburger Kulturstiftung, in diesem gut bebilderten, hervorragend gemachten Band, wird das Leben Hans Henny Jahnns sehr schön geschildert und mit vielen seiner wunderbaren Wortschöpfungen angereichert. Auch hier endigt der Band mit einer gewissen Auflösung des „harmonischen Weltbildes“ und einem Brief Jahnns an Ludwig Voß, in dem der Glaube in Zweifel umschlägt. „Die Stille der Nacht war deutlicher denn je!“ (FLuß ohne Ufer S. 372-374)

Hans Henny Jahnn – Ugrino – Die Geschichte einer Künstler – und Glaubensgemeinschaft, von Jochen Hengst und Heinrich Lewinski.

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Dieser Band bereitete mir vor allem deswegen einen Genuss, weil hier teilweise die „Ugrino-Verfassung“, die Dogmen der Glaubensgemeinschaft, die etwa von 1919-1925 bestand, aufgeführt sind. Wer das zweite Blatt gelesen hat, versteht, um was es dort ging. „Frauen ist der Zugang zur Oberleitung versagt (ein grauenhaftes Wort, das später erläutert wird, es bedeutet das Triumvirat bestehend aus Hans Henny Jahnn, dem Bildhauer Franz Buse und F.Gottlieb Harms, welche die oberste Instanz der Ugrino-Gemeinschaft darstellen) Sie sind davon – auch als Freunde – ausgeschlossen, weil sie Kinder gebären können. § 18n.

Auch der ebenfalls unter „Genie“ abgehandelte Paragraph (Blatt 2) ist lesenswert und offenbart ein extrem von der bestehenden Gesellschaft abgewandtes Verhalten, also das einer recht fanatischen Clicke, die uns heute sehr seltsam anmutet. In der damaligen Zeit waren solche Gruppierungen (Hesse-Glasperlenspiel) nicht unbedingt selten. Mit Sicherheit haben diese Formulierungen HHJ’s Leben im Kirchenbetrieb sehr schwierig gestaltet und für Zündstoff in der folgenden Nazizeit gesorgt. Dennoch ist bemerkenswert, dass Jahnn von Zürich aus mit Walcker in Geschäftskontakt war und die eine oder andere Disposition mit Mensuren gestaltete.

Von Jahnn selbst habe ich das im antiquarischen Markt extrem teuer gehandelte Bändchen “ Hans Henny Jahnn – Der Einfluß der Schleifwindlade auf die Tonbildung der Orgel“ gescannt und stelle es hier zur freien Verfügung.  hhj_sl_ugrino.pdf

Am Schluß möchte ich noch auf eine Merkwürdigkeit der letzten Tage eingehen, nämlich auf Hans Henny Jahnn als „Daniel in der Löwengrube“, wie angemerkt von  Henny Jahn alias Walentowitz, im ARS ORGANI 3/2009.

Man tut dem Ideal nichts Gutes indem man ihn aus dem allermenschlichsten Bereich ins Jenseits erhebt. Niemand im Dritten Reich hat sich Hitler und seine Gang ausgesucht, in dem Sinne, dass man das ungeheure Maß dieses Verbrechertums vorausgesehen hat. Und kein Mensch heute kann genau abschätzen, wie er sich in einem solchen Denunziantenstaat verhalten würde, wo jederzeit Auschwitz oder Dachau gedroht haben. Heutztage also berühmte Namen an die Wand zu malen und als charakterlose Lumpen abzuhandeln, nachdem die Nazis 6 Jahre lang gewütet haben – das ist schon eine sehr gewagte Selbstüberhebung.

Hans Henny Jahnn war im Orgelbau seiner Zeit angekommen und geschätzt. Ein Problem bereitete seine künstlerische Persönlichkeit und seine auf  Eros gründende Kunst. Dies waren Dinge, die natürlich besonders in der braunen, kleinbürgerlichen Enge der damaligen Zeit extrem schlecht ankamen. Auch heute würde das in dem anstehenden „postfundamentalen Christentum“ der „Provinz Hamburg“, das durchaus mit „Enge“ zugepflastert ist, zumindest mit völliger Ignoranz gesegnet werden. Im Süden stehen die Zeichen noch wesentlich schlechter, hier herrschen teils bürokratische Diktaturen die kaum noch durchschaut werden können. Vielleicht hätte Jahnn mit einem Außenminister Westerwelle in Berlin keine Probleme. Allerdings bin ich mir da nicht ganz so sicher.

Hier noch ein paar Links auf Hans Henny Jahnn auf unseren Seiten:

Proportion I

Hans Henny Jahnn schrieb bereits im Jahre 1940 in einem Brief an seine Geliebte Judit Später verdichtet sich in Jahnn dieser Zweifel mehr und mehr,
www.walckerorgel.de/gewalcker.de/seite11.htm

[PDF]

Wunderlich

21. Jan. 2006 Hans Henny Jahnn habe berechtigterweise Zweifel an den Fähigkeiten der Firma Kemper gehabt. Wobei hier unterschiedliche Auffassungen mir
www.walckerorgel.de/gewalcker.de/wunderlich.htm

JahnnundOW

Roswitha Schieb. „… die riesenhafte Panflöte der Orgel …“ Hans Henny Jahnn und der Ludwigsburger Orgelbauer Oscar Walcker
www.walckerorgel.de/gewalcker.de/inner_c/jahnnundow.htm gwm


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