Thomas Lipski „Die Konzertsaalorgel in Deutschland“

Thomas Lipski „Die Konzertsaalorgel in Deutschland – von den Anfängen im 19.Jahrhundert bis in den II.Weltkrieg“ ISBN-13-978-3-928243-33-9 

und als Ebook ISBN-13-978-3-928243-34-6 (kann geordert werden bei www.vpe-web.de ) —       ein großer Wurf, ein gutes Buch, ein wichtiges Buch. Warum?

Man könnte meinen, dass dieses Buch zur richtigen Zeit erscheint. Zu einer Zeit in der man sich anschickt, die Orgel wieder einmal aus der säkularen Perspektive sehen zu wollen-  um so wenigsten die Orgel vor den Flutungen der Kirche  zu retten. Wie einst symbolisch die Titanic-Orgel  gerettet werden sollte, weil der Orgelbauer andere Probleme hatte, als eine Schiffsreise nach Neu-York.

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Aber lassen wir diese Diskussion. Denn Reden über Orgel wird auch in Zukunft und vielleicht auch in hundert Jahren ein Reden sein über die Orgeln des 17. bis 19. Jahrhundert.

Wobei uns nun Thomas Lipski vielleicht die Tür aufgemacht hat, auch Orgeln zu sehen und zur Kenntnis zu nehmen, die ohne dieses Buch unseren Blickwinkel nicht mehr erreicht hätten.

Ich weiß nicht, ob in einer postindustriellen Zeit überhaupt noch das Interesse für solcherlei pluralistische Ausformungen der Orgelvielfalt erhalten bleiben wird, oder ob es wie in manchen Orgelkonzerten zugeht, wo sieben wackere Orgelklangfetischisten das Fähnlein der Getreuen halten.

Aber sicher weiß ich, dass bis dato kaum ein Orgelbuch erschienen ist, das in derartig guter Aufmachung, in solch grundsolider Recherche und dazu noch eines der spannendsten Kapitel der deutschen Orgelgeschichte sachgerecht serviert. Dabei wird auch verstanden die Spannung wie in einem Kriminalroman bis ans Ende aufrecht zu erhalten.

Ganz großen Dank an Thomas Lispki für diese mühselige Kleinarbeit, die wieder einmal zeigt, was gute Musikwissenschaftler zu leisten in der Lage sind.

Es war mir eine unheimliche Freude, im Laufe der letzte vier oder fünf Jahre ab und zu mit Thomas Lispki über dieses Buchprojekt telefonieren zu können, weil das Thema mich immer schon interessiert hatte.

Auch später deshalb, weil wir mit unseren Orgeltätigkeiten einen gewissen Höhepunkt nach dem Untergang des Hauses Walcker im Jahre 1999 in der Restaurierung der Walcker-Konzertsaal-Orgel in Bukarest hatten, was übrigens zur Folge hatte, dass wir heute an der Konzertsaalorgel in Rom, Santa Cecilia tätig sein dürfen, die  leider nur noch das Gehäuse von Walcker hat, dafür aber einer ganz eigenwilligen Idee  des großen Lehrers und Orgelspielers Fernando Germani in Sachen „Neobarockorgel“ folgt.

Für alle Fachleute, die das alles weniger interessieren wird, sei gesagt, dass in diesem Buch rund achtzig Orgeln besprochen werden und in System und Disposition beschrieben sind.

Das Buch hat insgesamt 437 Seiten. Es beginnt im I.Teil mit Historischen Aspekten (in England, Frankreich, die Reformbewegungen im 20Jh., Konzert – und Saalorgel des Dritten Reichs). Im II. Teil werden besprochen, die Akustik der Konzertsäle, Prospektgestaltungen und Positionierungen im Konzertsaal, es werden alle technischen Windladensysteme erläutert. Dazu kommen Erklärungen zu Spieltischeinrichtungen, Windversorgung, pneumatische Balanciers und elektrische Trakturen. Auf über 25 Seiten wird sehr dezidiert auf die klanglichen Innovationen eingegangen.

Hier ist sehr interessant die Erläuterung des dynamischen Dispositionsprinzips und leider etwas zu wenig, die Bedeutung der Mensuren. (würde aber den Rahmen des Buches sicher sprengen).

Der wichtigste und bedeutendste Teil ist natürlich der III. Teil, die Dokumentation der verschiedenen einzelnen Orgeln.

Das ist auch sehr gut mit den schwarz-weißen Fotos gelungen, die gut ins Buch integriert wurden.

Nach meiner Zählweise sind es 75 Orgeln bis 1945, dann werden noch die historischen und neugestalteten Orgeln in Wien Musikverein, Wien Konzerthaus, Salzburg Mozarteum und Zürich Tonhalle sehr gut mit Dispositionen erwähnt.

Ich denke, dass man die ersten beiden Teile des Buches mit größter Freude und erheblichem Gewinn rasch durchlesen wird und das der III.Teil für viele Leser seine Spezialitäten haben wird, die man einfach wissen will. Dann aber steht das Buch als gutes Nachschlagewerk im Regal, das bei vielen Fragen umfangreiche und genaue Antworten weiß.

 

gwm (bei 35Grad in Rom)

 


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