Beeindruckt vom Gewicht, der Größe und der sehr gut gemachten Buchqualität geht es auf den Weg eines der letzten Orgelbücher zu studieren. Die Frage steht im Raum, wo wohl die 125 historischen Instrumente im Saarland aufzufinden sind.
Nun der Begriff „historisch“, so bin ich es im Orgelbau seit 50 Jahren gewohnt, wird von jedem anders ausgelegt. Es ist eine Sprechblase, mehr nicht.
Mit der Titelbezeichnung „wichtige“ oder „bedeutende“ Orgeln des Saarlandes wäre man dem Sachverhalt näher gekommen, hätte aber eine gewisse Verunsicherung ausgelöst.
Lassen wir das Thema also, es handelt sich effektiv nur um einen kleinen Teil historischer Orgeln, der Rest sind eben „wichtige und bedeutsame“ Instrumente des Saarlandes.
Beginnen wir da, wo der Autor beginnt, beim Vorwort, wo Bonkhoff mir aus dem Herzen spricht mit „(…) Im evangelischen Bereich und das sage ich als evangelischer Pfarrer mit großem Schmerz, sieht es in Sachen Orgel oft noch viel betrüblicher aus. Aber das liegt nicht an der verschwindend geringen Zahl der Pfarrer, sondern an der Festungslanlage Pfarrhaus, die sich so manche(r) geschaffen hat. (…) Nur eine Minderzahl unter den Kollegen hat sich interessiert, engagiert und reingekniet. Die Zeit, als der Pfarrer sich in der Geschichte seiner Pfarrkirche auskannte, regelmäßig die Pfarrbeschreibung ergänzt hat und sogar die deutsche Schrift lesen konnte, ist längst vorbei. „
Mit dem nächsten Kapitel „Entwicklungsgeschichte des Orgelbaus in der Saargegend“ werden wir zunächst einmal aufgeklärt, dass das Saargebiet erst seit 1920 durch den Versailler Vertrag existiert und keine geschlossene Kulturlandschaft darstellt. Nun folgen weitere Kapitel, „Die Frühzeit bis zum 17.JH, das 18.JH, das 19.JH und das 20.JH“, die ganz hervorragend die Geschichte des Orgelbaus und der Orgelbauer dieser Gegend dokumentieren.
Der gutgemeinte Ratschlag von Pfarrer Bonkhoff auf einer der letzten Seiten dieser Kapitel, die Kirchengemeinden mögen sich doch bitte zuerst mit den Orgelbauern auseinander setzen bevor sie einen Sachverständigen kommen lassen, mutet mir jedoch aus einer größeren Realitätsferne heraus entwickelt worden zu sein. Es geht dem Sachverständigen, egal um welche Art von Orgelprojekten es sich handelt, ausschließlich um Machtdemonstration, Platzhirschgehabe, eigentlich um niederste tierische Triebe. Weist man einem Sachverständigen technische Lösungen nach, die ihm fehlerhafte Gedankenbildung überführen, so wird man erstaunt feststellen, dass daraus nie eine vernunftgemäße Richtigstellung erfolgt, sondern es folgen Konsequenzen im Sinne des Machterhalts. Ich möchte keine Verallgemeinerungen zementieren, bin aber nach wie vor der Meinung, dass sich die Kirche mit dem Orgelsachverständigenwesen, das besonders seit dem letzten Weltkrieg das freie Atmen der Orgelbaukunst radikal verhindert und negativ reglementiert und alle nonkonformen Orgelbauer terrorisiert hat, wahrlich keinen Gefallen getan.
Hier eine Musterseite „Instrumente“, linker Hand:
und hier nun rechter Hand:
Nun weiter mit Bonkhoff „Die Instrumente“.
Die Logik dieses wichtigsten Buchteils hat sich mir nicht erschlossen.
So beginnt dieses Kapitel mit der ältesten Orgel des Saarlandes, ein dreiregistriges Werk, das Ohlert vor zwei Jahren nach St. Ingbert gebracht hat. Auf linker Seite sind schön geordnet, Historische Substanz, Quelle, Literatur, Disposition mit Jahreszahl, rechts das Bild der Orgel. Die Fotos des Bandes, ganz allgemein, sind absolut spitze, dank den vor Ort aufgenommen Fotografien von Richard Menzel.
Ich denke, man hätte den Textteil etwas präzisieren können, indem noch eine Rubrik mit „Orgelbauer“ eingefügt worden wäre, so dass das Ganze am Beispiel Wehrden so ausgesehen hätte:
Historische Substanz: Gehäuse von 1729, ein Großteil des Pfeifenwerks von 1930
allgemeiner Text ….
Literatur ….
Orgelbauer Johann Michael Stumm, 1729, 14/II
Roethinger, 1930
Mayer, 1996, 22/II , SV Busse
Es finden sich bei Bonkhoff Bemerkungen zu einzelnen Orgeln und Arbeiten, die man nicht akzeptieren kann. So schreibt er zum Beispiel über die Bübinger Orgel, die von der Familie Stumm um 1752 stammen soll: „Das ursprünglich grau-grün marmorierte Gehäuse wurde dann weiß gefasst. 2004 führte Orgelbau S. Instandsetzungsarbeiten durch und entfernte die weiße Fassung wieder. Dafür wurde ein Teil des Gehäuses unpassend rosa marmoriert. Die Orgel verdient eine exakte Restaurierung im strengen Sinn des stummschen Originals.“ Dieser Text ignoriert nicht nur die Bedingungen, unter denen der Orgelbauer zu arbeiten hatte, sondern lädt zur Spekulation ein, dass die Restaurierung des namentlich genannten Orgelbauers insgesamt fehlerhaft war. Aber an dem Foto erkennt man, dass die Marmorierung sehr vorteilhaft ausgeführt wurde. Das Weitere sollte man als Geschmacksfrage zurückgestellt belassen.
In einem anderen Fall, es handelt sich um die Saarbrücker Ludwigskirche, wird unter Historischer Substanz: Kopie des Stumm-Gehäuses (S.64). Weiter auf Seite 254 wird erneut diese Orgel aufgeführt, hier aber steht unter Historische Substanz: erhalten, und es wird nun die Disposition von 1982, der Beckerath-Orgel gezeigt, ohne auf die vorige Seiten zu verweisen. Das verwirrt und versteht letztendlich kein Mensch.
Ich bin dem Autor aber dankbar, dass er durch seine sachlichen Darstellungen im Texteil der einzelnen Instrumente Missverständnisse aufklärt, die gerne von Kirchengemeinden unters Volk gebracht werden, wie dies am Beispiel der Orgel in der Evang. Kirche zu Völklingen der Fall ist.
Hier wird mit Orgelfahrten und anderen Veranstaltungen auf eine bedeutende „Walcker-Orgel“ von 1929 hingewiesen, ohne die ganze Wahrheit je ans Licht zu bringen. Denn diese Orgel wurde 1979 komplett neu gebaut von Schuke in Form von mechanischen Schleifwindladen und einer völlig anderen Disposition insbesondere was die Mixturengestalt betrifft. Es ist schade, dass bei einer solch wichtigen Orgel, und ich halte auch das von Schuke geschaffene Orgelwerk für immens interessant, die Dispositionen und Mixturenzusammensetzung nicht wenigstens andeutungsweise gegenüber gestellt wurden.
Hier haben wir es mit typischen Mängeln der GDO und ihren Publikationen zu tun, wo nämlich die Oberfläche schön und laut glänzen muss, aber der tiefere Zusammenhang keine besondere Rolle mehr spielen darf.
Ich könnte hier noch weitere Beispiele zeigen, meine aber, um endlich zum Schluß zu kommen, dass dieses Buch von Bonkhoff eine ganz wichtige Grundlage für die Orgeln des Saarlandes ganz allgemein darstellt und zeituntypisch uns etwas mit auf den Weg gibt, wie man es nicht mehr oft erleben wird.
gewalcker@t-online.de
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