Die Freiburger Praetorius Orgel, Markus Zepf, 2005, Rombach-Verlag

Auf der Suche nach vergangenem Klang.

Das Buch von Markus Zepf, an dem ich in geringem Umfang durch Materialbeistellung etwas mitwirken konnte, war für mich seit seiner Geburtsstunde ein unheimlich spannendes Erlebnis, das, als es mir dann endlich in gedruckter Form in Händen lag, einen tiefen Eindruck auf mich hinterlassen hat.

Die Zeit der 20er Jahre wäre, würde man das Kunststück vollbringen können, die Nazis aus dieser Zeit auszuschliessen, wohl das spannendste Kapitel der deutschen Literatur und damit verwoben auch der deutschen Orgelbaukunst geworden sein. Wobei darüber nichts gesagt sein soll über irgendwelche Qualitäten von Kulturstufen, wie das vielleicht von Oswald Spengler in seinem „Untergang des Abendlandes“ tiefsinnig getan wurde. Je weiter wir aber von dieser Zeit abrücken, um so exotischer wird diese Zeit für uns. Daher sind wir als Nachkriegsgeneration immer dankbar, wenn es Einer geschafft hat, zurückzukriechen ins mythische Dunkel dieser verschlossenen Epoche, um dort ein paar Silberbarren herauszuschälen aus diesem Gebirge, und uns Klarheit zu verschaffen, wie es denn da war, als man fundamentale Orgeln baute, wie jene „Praetorius“ auf Taschenladen, was dann eine ganze Orgelnation bewegt haben soll.

Jedenfalls hat Markus Zepf als umfassend gebildeter Akademiker das Thema „Praetoriusorgel“ und „Klangideale“ so glasklar im Griff gehabt, als der dieses Stück Literatur geschaffen hat, dass er ganz spielerisch die Zusammenhänge mit dieser Zeit „tanzen“ lassen konnte . Und in der Tat werden hier die Klänge und Klangvorstellungen aller Orgelepochen unter die Lupe genommen und auch in Form von Zahlen auf den Tisch gelegt. Wir erfahren etwas über die nicht unproblematischen Begriffe wie „Barock-Orgel“, was Gurlitt in „Früh-Hoch-Spätbarock gliederte und damit den periodischen Wechsel der Zeiten zur Geltung kommen lässt. Und wir erfahren auch die Problematik die hinter solchen Begriffseinteilungen steht.

Das Buch ist in drei Hauptteile unterteilt, 1) die Elsässische Orgelreform 2) Das Instrument aus dem Geist der Musikwissenschaft Die Praetorius Orgel von 1921 und 3) Zur Rezeption der Praetorius-Orgel mit der Freiburger Orgeltagung von 1926

Alle drei Teile werden abschliessend und schön übersichtlich am Ende zusammengefasst erneut serviert.

Das Buch ist für das Verständnis der Nachkriegsbewegung ab 1945 und der Bewegung in den 20er Jahren eine unglaublich große Hilfe, weil viele Bewegungen um Gurlitt, Jahnn, Mahrenholz, Schweitzer und Straube kaum in anderem Schrifttum der neueren Zeit so intensiv durchleuchtet wurden wie eben hier. Dr. Zepf ist Organist und geht die Sache auch durchweg von der hörenden Seite her an, man merkt unwillkürlich in vielen Stellen des Buches, dass hier ein praktisch erfahrerener Orgelspieler und nicht nur ein Schreiber an einer wichtigen Studie gearbeitet hat.

Das Buch wurde von mir bereits zum zweiten Mal gelesen, was überhaupt nicht schwer fällt, denn der Schreibfluss ist durchaus harmonisch bewegt und man kommt in seltensten Fällen ins Stocken. Spannend wird berichtet, wie bei einer aktuellen Reportage.
Pluspunkte:

  • gute Darstellung der historischen Zusammenhänge !!
  • sehr gute Darstellung von Mensuren, Zungen mit Dicken, Kehlenbreiten etc.
  • gutes Literaturverzeichnis
  • sehr gute Lesbarkeit des ganzen Buches

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und hier zwei Seiten

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Restaurierung pneumatischer Orgeln, Pape-Verlag, 1995, 190 Seiten

In diesem Buch kommen Praktiker und Organisten zu Wort. Es handelt sich um eines der ersten Bücher, das sich mit der Restaurierung pneumatischer Orgeln auseinandersetzt. Die Berliner Domorgel von Sauer war hierzu ein wichtiges Glied, und das wurde in dem Buch von Peter Dohne ausgiebig erläutert. Sehr gut auchsind die Artikel von Martin Rost, Christian Scheffler und Alfred Reichling.

Aus dem Inhaltsverzeichnis und ein paar Musterseiten kann man ersehen, welche Bedeutung dieses Buch hat, auf das ich selbst immer gerne wieder zugreife.

Neben Fotos sind Zeichnungen, Funktionsschemata, verschiedene Dispositionen und auch Mensuren von Röver-Orgel aufgeführt.

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Theorie und Praxis des Orgelpfeifenklangs, Joseph Goebel, 1967

Intonieren und Stimmen. Erschienen im Verlag das Musikinstrument.

Das ist das einzige mir bekannte Buch über Orgelbau, das direkt und unmittelbar von einem Orgelbaumeister für die Praxis geschrieben wurde und als solches effektiv eingesetzt werden kann.

Ursprünglich hatte ich drei dieser Exemplare, davon waren immer zwei unterwegs bei Kollegen oder bei Organisten die sich darin vertiefen wollten. Wertvoll ist diese kleine, unscheinbare Broschüre auch deswegen, weil alle wichtigen Tabellen über Pfeifenmaße, Teiltöne, Mensurverhältnisse etc. enthalten sind. Man kann also direkt ans Werk gehen und damt Mensurenstäbe anfertigen.

Nach dem Ellerhorst, der demnächst als PDF das Licht der Welt erblicken wird, habe ich vor auch dieses 94seitige Exemplar zu erlegen, wenn geklärt ist, ob hier noch Rechte vom Verlag geltend gemacht werden.

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Die Entwicklungsgeschichte der Orgelbaukunst, Emile Rupp, 1929

 

„Die Entwicklungsgeschichte der Orgelbaukunst von Emile Rupp“ ist einer der wenigen Klassiker der deutschsprachigen Orgelliteratur. Rupp ist einem als Leser ad hoc sympathisch. Kein hohles Gerede, oder abgeschriebene Geschichten, sondern tief durchdachte Argumentation, aber auch fanatische Ansichten der ersten Stunden der Orgelbewegung erfreuen und beleben oder verführen zum Lächeln. Rupp ist Intellektueller, dessen Argumentation immer schlüssig, manchmal sogar verführerisch, selten trügerisch ist. Was Rupp will , ist, dass der Leser sich sein Denken und seine Ansichten erarbeitet oder sich selbständig mit seinen Gedanken auseinandersetzt – dies macht ihn ehrlich aber auch unbequem – durch jede Seite dringt es : hast du diese Dispositionstechnik nicht verstanden, so arbeite sie noch einmal durch. Schön sind solche Passagen : Als ich neulich an einem Bachabend den cantus firmus eines Choralvorspiels mit folgender Registrierung spielte :

S: Viola di Gamba 8, Flageolet 2, Nasard 2 2/3

P: Quintatön 8, Gemshorn 4, Doublette 2, Terzflöte 1 3/5

H: Rohrflöte 4

S.H. p: Bourdon 16, Violoncell 8

auf P.S. die Begleitung auf H.S. , wurde ich von sachkundiger Seite nach der „wunderschönen Solozungenstimme“ gefragt, die sich dann zur großen Überraschung der Fragesteller als eine Labiale Mischung obertonreicher Grundstimmen und grundtöniger Einzelaliquote herausstellte.

Seine Hasstiraden gegen Weiglesche Hochdruckstimmen und der verdummenden „Verfallszeit“ des deutschen Orgelbaus nimmt man Rupp weniger übel, da sie ausgiebig begründet werden. Von Vogler jedenfalls schwärmt Rupp, der das Echte und Wahre tatsächlich unterscheiden kann. Dieses Buch ist eine große Bereicherung für jeden Orgelfreund – wir haben es gescannt und stellen es seit längerer Zeit als PDF zur Verfügung.

Die moderne Orgel, Karl Lehr, 1912

Die moderne Orgel in wissenschaftlicher Beleuchtung.

Karl Lehr war Domorganist in Worms und hat mit diesem Buch, das immerhin 260 Seiten aufweis, zumindest bei der Firma Walcker großen Anklang gefunden, denn sein Buch war im Technischen Büro der Firma ausgelegt, was seine heutigen Spuren nicht verhehlen kann. Es ist völlig zerfleddert.

Lehr hat in diesem Buch etwa 50 Lehrsätze aufgestellt, die er proklamiert und danach begründet. Darunter sind sind solche allgemeinen wie LEHRSATZ 40. Der Obertonreichtum einer Orgelpfeife ist abhängig von dem Material derselben. Sehr gut finde ich die Berechnungen, die Lehr im ersten Teil seines Buches bei den verschiedenen Bälgen demonstriert und akribisch in Zeichen und Formeln hüllte.

Er begründet auf zwei Seiten die Vorteile der pneumatischen Traktur gegen die mechanische, und kommt dann mit der elektrischen Traktur auf die Heidelberg Voit-Orgel zu sprechen und weiter Werke. Das Buch ist eines der wenigen, das ganz ausgiebig auf die Röhrenpneumatik eingeht und das auch gute Grafiken dazu mitliefert.

Eine weitere Stärke dieses Bandes ist die Beschreibung des Orgelklanges, von den einzelnen Register bis zur Disponierung, Registrierung und verschiedener Musterdispositionen.

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gwm

Die Orgel-Register und ihre Klangfarben, Carl Locher, 1912

Ein Nachschlagewerk für Organisten, Physiker und Physiologen.

Eine Schrift, die von einem Organisten so gehalten ist, dass der Kollege es versteht. Man nimmt es gerne in die Hand, obwohl man weiß, dass keine Universalität damit verbunden ist, die ist eher bei Eberlein zu finden.

Bei Locher hingegen haben wir noch den Finger am Puls der Zeit und wir haben einen typischen Organisten aus dieser Zeit am Wickel, der sich je nach Laune und Gutdünken über die „Melodiekoppel“ ergötzen kann und der auch zwanglos über Spieltischanlagen und „Pneumatik“ über zwei Seiten referiert. Oder er beschreibt im Register „Posaune“ wie in Rotterdam ein Dr. von Schack Experimente mit einer schwingenden Stahlfeder gemacht hat, um den tiefsten hörbaren Ton herauszufinden. Also es ist mit Sicherheit keine wissenschaftlich tiefsinnige Analyse, die uns hier unter die lesenden Augen fällt, sondern eher etwas“Gemütliches“, das am brennenden Kamin mit einem Glas elsässischen Gewürztraminer in der Hand, seine beste Wirkung entfacht. Irgendwie hört man immer Orgelklänge während des Lesens, vielleicht die immanente Physiologie des Buches.

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gwm

Diversity in Unity, Hans Fidom, 2002

Discussion of Organ Building in Germany between 1880 and 1918.

353 Seiten, Titel, Inhalt in 4 Seiten

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Dieses Buch halte ich für die wichtigste Schrift überhaupt, die sich bisher mit der Spätromantik im deutschsprachigen Raum auseinandergesetzt hat. Es ist daher ein Problem, dass das Buch nur in englischer Sprache erschienen ist, wobei dann verschiedene Zitate in deutsch geblieben sind. Ein weiteres Problem bereitet die ins „Englische“ übersetzten Fachbegriffe, wie auch die speziellen Begriffe der Windladen etc.. Ob damit die Verbreitung dieses wichtigen Werkes gefördert wird, wage ich zu bezweifeln.

Es gibt einen großen Anhang mit Orgeln aus dieser Zeit und ihren Dispositionen und auch einige Bilder , im Falle Walcker „Doesburg“ sogar eine hervorragende Schnittzeichnung der Orgel, und es gibt ein riesiges Fußnotenverzeichnis sowie ein Quellenverzeichnis, das jedes „lesende Orgelherz“ höher schlagen lässt.

Das Buch beleuchtet die damalige Zeit und führt uns Gedankengänge und Diskussionen aus dieser Zeit vor, um damit Disponierweise und Gestaltung jener Orgeln besser verstehen zu können. Das ist großartig gelungen.

gwm

eröffnet

In diesem Blog möchte ich regelmässig Bücher über die Orgel vorstellen – vornehmlich Bücher über Orgelbau. Da sich das Thema vor allem natürlich in vergangene Zeiten erstreckt, und ich ohnehin vorhabe einige dieser Bücher als PDF-Teile auf unseren Seiten einzubringen (was übrigens schon geschehen ist. So befindet sich Rupp’s Entwicklungsgeschichte des Orgelbaus schon seit Urzeiten zum kostenfreien Download auf unseren Seiten, was bisher etwa 150 Nutzer genützt haben) wird also mit diesem Blog unsere Bestrebungen Licht ins Dunkel der Orgelbauergeschichte einzubringen weiter gefördert.

Insgeheim hatte ich vor meine wichtigsten Bücher online zu Verfügung zu haben, und warum also nicht gleich ins Freie damit!

Gedacht ist, neben Titel und Jahreszahl, möglichst ein lückenloses Inhaltsverzeichnis der Bücher darzustellen und einzelne, interessante Aussagen dieser Bücher zu zitieren.

Gerhard Walcker-Mayer