Auf der Suche nach vergangenem Klang.
Das Buch von Markus Zepf, an dem ich in geringem Umfang durch Materialbeistellung etwas mitwirken konnte, war für mich seit seiner Geburtsstunde ein unheimlich spannendes Erlebnis, das, als es mir dann endlich in gedruckter Form in Händen lag, einen tiefen Eindruck auf mich hinterlassen hat.
Die Zeit der 20er Jahre wäre, würde man das Kunststück vollbringen können, die Nazis aus dieser Zeit auszuschliessen, wohl das spannendste Kapitel der deutschen Literatur und damit verwoben auch der deutschen Orgelbaukunst geworden sein. Wobei darüber nichts gesagt sein soll über irgendwelche Qualitäten von Kulturstufen, wie das vielleicht von Oswald Spengler in seinem „Untergang des Abendlandes“ tiefsinnig getan wurde. Je weiter wir aber von dieser Zeit abrücken, um so exotischer wird diese Zeit für uns. Daher sind wir als Nachkriegsgeneration immer dankbar, wenn es Einer geschafft hat, zurückzukriechen ins mythische Dunkel dieser verschlossenen Epoche, um dort ein paar Silberbarren herauszuschälen aus diesem Gebirge, und uns Klarheit zu verschaffen, wie es denn da war, als man fundamentale Orgeln baute, wie jene „Praetorius“ auf Taschenladen, was dann eine ganze Orgelnation bewegt haben soll.
Jedenfalls hat Markus Zepf als umfassend gebildeter Akademiker das Thema „Praetoriusorgel“ und „Klangideale“ so glasklar im Griff gehabt, als der dieses Stück Literatur geschaffen hat, dass er ganz spielerisch die Zusammenhänge mit dieser Zeit „tanzen“ lassen konnte . Und in der Tat werden hier die Klänge und Klangvorstellungen aller Orgelepochen unter die Lupe genommen und auch in Form von Zahlen auf den Tisch gelegt. Wir erfahren etwas über die nicht unproblematischen Begriffe wie „Barock-Orgel“, was Gurlitt in „Früh-Hoch-Spätbarock gliederte und damit den periodischen Wechsel der Zeiten zur Geltung kommen lässt. Und wir erfahren auch die Problematik die hinter solchen Begriffseinteilungen steht.
Das Buch ist in drei Hauptteile unterteilt, 1) die Elsässische Orgelreform 2) Das Instrument aus dem Geist der Musikwissenschaft Die Praetorius Orgel von 1921 und 3) Zur Rezeption der Praetorius-Orgel mit der Freiburger Orgeltagung von 1926
Alle drei Teile werden abschliessend und schön übersichtlich am Ende zusammengefasst erneut serviert.
Das Buch ist für das Verständnis der Nachkriegsbewegung ab 1945 und der Bewegung in den 20er Jahren eine unglaublich große Hilfe, weil viele Bewegungen um Gurlitt, Jahnn, Mahrenholz, Schweitzer und Straube kaum in anderem Schrifttum der neueren Zeit so intensiv durchleuchtet wurden wie eben hier. Dr. Zepf ist Organist und geht die Sache auch durchweg von der hörenden Seite her an, man merkt unwillkürlich in vielen Stellen des Buches, dass hier ein praktisch erfahrerener Orgelspieler und nicht nur ein Schreiber an einer wichtigen Studie gearbeitet hat.
Das Buch wurde von mir bereits zum zweiten Mal gelesen, was überhaupt nicht schwer fällt, denn der Schreibfluss ist durchaus harmonisch bewegt und man kommt in seltensten Fällen ins Stocken. Spannend wird berichtet, wie bei einer aktuellen Reportage.
Pluspunkte:
- gute Darstellung der historischen Zusammenhänge !!
- sehr gute Darstellung von Mensuren, Zungen mit Dicken, Kehlenbreiten etc.
- gutes Literaturverzeichnis
- sehr gute Lesbarkeit des ganzen Buches
und hier zwei Seiten